Konflikte erstrecken sich über verschiedene Dimensionen. Daher gibt es schon seit Jahren das Bestreben, für Land, See, Luft-, Welt- und Cyberraum eine übergreifende Führungsfähigkeit aufzubauen. Bislang scheiterten Ansätze wie Network Centric Warfare, NNEC, NetOpFü oder COP daran, dass die dafür notwendige Technik noch nicht einsatzbereit war. Heute eröffnen marktverfügbare Technologien jedoch neue Möglichkeiten, diese Herausforderung zu bewältigen.
Dimensionsübergreifende Führung setzt ein Umdenken in der Technik, der Organisation und im Handeln voraus: die unter anderem von Generalleutnant Vetter, CIO im BMVg, zitierte „Zeitenwende.“ Eine entscheidende Rolle spielt dabei der Ansatz Software Defined Defence (SDD). Hier wird die Funktionalität von der Hardware gelöst und in Software überführt – die beste Voraussetzung dafür, zukünftig schnell auf veränderte Bedingungen reagieren zu können und so siegfähig zu bleiben.
Wesentliche Voraussetzungen für SDD
Um SDD auf allen Ebenen innerhalb eines Waffensystems zu erreichen, müssen die einzelnen Schichten (Fahrzeugtechnik, Waffensystem, Führungstechnik und Kommunikationstechnik) als in sich geschlossene Subsysteme bereitgestellt werden. Als verbindendes Element dieser sich – je nach Lebenszyklus – schneller oder langsamer drehenden „Zahnräder“ fungiert die zentrale Governance. Diese regelt das Zusammenspiel in allen Bereichen: Sie schafft die organisatorischen Rahmenbedingungen für den Aufbau und Ablauf, beinhaltet vertragliche Grundlagen und gibt die technischen Regelungen vor, zum Beispiel für die Architektur und die Entwicklung.
Durchgängiger Architekturansatz als Fundament
Wichtige Grundlage ist ein Architekturansatz, der die stationären Rechenzentren und verlegefähigen Hauptquartiere ebeneinschließt wie die Fahrzeuge und mobilen Endgeräte. Da Deutschland nur im internationalen Verbund agieren wird, sind hier auch internationale Vorgaben, Standards und die Vereinbarungen zum Future Mission Networking (FMN) zu berücksichtigen. Um individuelle Lösungen und damit neue Interoperabilitätsprobleme zu vermeiden, muss eine verbindliche gemeinsame Governance zugrundegelegt werden – analog zur Design Authority im Office of the CTO der NATO Communications and Information Agency (NCI Agency).
Schnelle Anpassung durch agile Entwicklung
Sich schnell an neue Bedingungen anzupassen, setzt auch eine agile, sichere und andauernde Entwicklung voraus: Beim Ansatz DevSecOps (Development, Security, Operations) werden Nutzerinnen und Nutzer von kompetenten agilen Teams permanent in die Entwicklung einbezogen. Dafür wird eine moderne, cloudbasierte Entwicklungsumgebung benötigt, die diesen kontinuierlichen Prozess entsprechend unterstützt, z. B. nach dem Vorbild der NATO Software Factory. Da es nicht möglich ist, bei permanenten Neuerungen in mindestens vier Schichten jeweils das Gesamtsystem zu akkreditieren, bedarf es zugelassener Prozesse – ähnlich wie in der Automobilindustrie. Durch diese akkreditierten Prozessschritte werden schon in der Entwicklung Services erstellt oder aktualisiert und getestet. Fertige Services können dann als Template in einer „accredited container library“ bereitgestellt und von dort installiert werden. Die so entstehenden Gesamtsysteme erhalten ihre Akkreditierung automatisch durch die Zulassung des Prozesses.
Der Mensch als entscheidender Faktor
Wie bei jeder „Zeitenwende“ ist die technische Umsetzung nur ein Teil des Ganzen. Um die Führungs- und Kommunikationssysteme dimensionsübergreifend bereitzustellen und schnell nutzbar zu machen, gilt es, dies auch organisatorisch abzubilden und durchzusetzen. Hierzu muss die Verantwortung auf allen Ebenen zentral gebündelt werden – von CIT über CIR bis BAAIN und BWI.
Parallel dazu müssen auch die einzelnen Individuen ein Bewusstsein entwickeln, das auf gemeinsamer Erfahrung, persönlicher (intrinsischer) Motivation und einem klaren Fokus auf das vereinbarte Ziel beruht.
Quellangabe: Autor: Jens Elstermeier, erschienen im IT-Report 2024