Sascha Auerbach,

Sascha Auerbach

Director

Bianca Heinemann, CGI

Bianca Heinemann

Senior Consultant

 

Das BFSG schafft neue Maßstäbe für Inklusion und Chancengleichheit

Nach einer Veröffentlichung des Statistischen Bundesamtes leben in Deutschland aktuell fast acht Millionen Menschen mit einer schweren Behinderung. In einer immer digitaler werdenden Welt ist es wichtig, dass auch sie uneingeschränkten Zugang zu allen digitalen Informationen, Services und Produkten haben.

Um das öffentliche Leben und den Handel barrierefrei zu gestalten und die Gleichberechtigung im Internet voranzutreiben, wurde das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) beschlossen, das am 28. Juni 2025 in Kraft treten wird. Es setzt in Deutschland den European Accessibility Act um: die EU-Richtlinie über Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen.  

Versicherungen müssen ihre Produkte und Services anpassen

Im Versicherungsbereich werden für Menschen mit Einschränkungen zukünftig besser zugängliche Versicherungsprodukte und -leistungen verfügbar sein. Dadurch werden ihre finanzielle Sicherheit und Unabhängigkeit gestärkt.

Versicherungsunternehmen haben nach dem BFSG die Auflage, ihre Produkte und Services bis zum genannten Stichtag barrierefrei zu gestalten. Dies schließt unter anderem Websites, mobile Anwendungen und Vertragsunterlagen mit ein. Menschen mit Behinderungen sollen in Zukunft also über die gleichen Informationen und Services verfügen können wie alle anderen Nutzerinnen und Nutzer: mit Hilfe von barrierefreien digitalen Lösungen, gut zugänglichen Beratungsangeboten und entsprechend angepassten Dokumenten und Kommunikationsmitteln. Ziel des Ganzen ist es, die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Versicherungsmarkt zu erleichtern und Diskriminierungen abzubauen.

Die Umsetzung des BFSG ist alles andere als trivial

Um mit dem BFSG konform zu gehen, sind technische Anpassungen notwendig, durch die Versicherer ihre Webseiten – inklusive aller Produktseiten, Antrags- und Schadenmeldestrecken, Kundenportale und Apps – barrierefrei gestalten können. Dabei muss der komplette Online-Auftritt den vier Prinzipien Wahrnehmbarkeit, Bedienbarkeit, Verständlichkeit und Robustheit gerecht werden. Dass hiervon auch ältere IT-Systeme (Legacy-Systeme) betroffen sind, erschwert die Transformation zusätzlich.

Doch wie lässt sich Kommunikation zukünftig in barrierefreien Formaten anbieten? Hier ein Beispiel aus einem unserer Kundenprojekte: Wir unterstützten ein Versicherungsunternehmen bei der Einführung eines Content Management Systems, bauten das neue Frontend mittels moderner Web-Komponenten unter Berücksichtigung von Accessibility-Aspekten auf und migrierten bereits bestehende Webseiten. Darüber hinaus integrierten wir die bestehenden Antrags- und Schadenmeldestrecken, einen Chatbot und das Data-Analytics-Konzept in das neue Frontend. Zu den Mehrwerten für das Versicherungsunternehmen zählte unter anderem ein flexibles und benutzerfreundliches Frontend, das von den Redakteurinnen und Redakteuren jederzeit problemlos angepasst werden kann. Dies ermöglicht eine einfache Skalierung der Frontend-Plattform auf verschiedene Versicherungsprodukte und Märkte.

Durch das BFSG eröffnen sich aber auch neue Chancen

Aus unserer Sicht sollten Versicherungen die Umsetzung des BFSG als Chance begreifen und ganzheitliche Lösungen mit innovativen Technologien entwickeln, die nicht nur Menschen mit Einschränkungen zugutekommen, sondern auch den Nutzwert für die Allgemeinheit erhöhen und die auf Seiten der Versicherungen laufenden operativen Kosten reduzieren. Daher steht neben der reinen BFSG-konformen Zugänglichkeit der Benutzeroberflächen die Optimierung von kundenbezogenen transaktionalen Prozessen im Fokus. Versicherungen sollten die Anpassung an das BFSG nutzen, um sowohl die Customer Journey im Frontend als auch die dazugehörenden Backendprozesse einfacher, digitaler, automatisierter und medienbruchfreier zu gestalten.

Im Folgenden stellen wir drei Beispiele vor, wie sich die Umsetzung des BFSG mit optimierten Kundentransaktionen verbinden lässt:

Beispiel 1: digitale Antragsstrecken

Ein gutes Beispiel sind digitale Antragsstrecken. Um dem BFSG zu entsprechen, müssen sie eine nutzerfreundliche und schnelle Bedienbarkeit der Benutzeroberflächen gewährleisten. Bei der Umsetzung der Anforderungen ist es sinnvoll, die Customer Journey beim Vertragsabschluss auch gleich auf weitere Optimierungspotenziale zu prüfen und diese direkt im Zug der Umsetzung des BFSG zu integrieren. Dies wird beispielsweise durch eine Reduktion der Klicks bis hin zum Vertragsabschluss erreicht. Darüber hinaus ist es sinnvoll, eine einheitliche Antragsstrecke als Blueprint zu gestalten. Er kann zukünftig für andere Versicherungsprodukte wiederverwendet werden und nutzt die Synergieeffekte in diesem Kontext. In dem Zusammenhang sollte ebenfalls untersucht werden, ob sich weitere digitale Vertriebskanäle wie KI-gestützte Chat- und/oder Voicebots sinnvoll integrieren lassen. So kann Versicherungskundinnen und -kunden ggfs. ein Vertriebskanalwechsel vorgeschlagen und dadurch eine optimale Customer Experience beim Abschluss ihrer Versicherungspolice geboten werden.

Beispiel 2: digitale Schadenmeldungen

Ein weiteres Beispiel für die Umsetzung von BFSG-Vorgaben und der damit kombinierten Optimierung transaktionaler Prozesse sind digitale Schadenmeldungen. Oft findet die Dateneingabe im Rahmen der Schadenmeldung noch unstrukturiert in Formularen mit Freitext oder via hochgeladener PDF-Formulare statt. Gerade hier bietet sich eine Verbesserung der Schadenmeldung in Form einer strukturierten Datenerfassung in einer digitalen Schadenmeldestrecke an – bei gleichzeitiger BFSG-konformer Umsetzung der Oberflächen. Vorteil der strukturierten Datenerfassung ist eine bessere Datenverwertung, die z. B. in die Mustererkennung für Betrugsfälle einfließen kann. Zudem können in digitale Schadenmelde-strecken bereits Tools zur Betrugserkennung eingebunden werden, die die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter frühzeitig auf mögliche Betrugsfälle hinweisen.

Beispiel 3: Vertragsänderungen im Kundenportal

Ein drittes Beispiel für die Kombination von BFSG-Umsetzung und Optimierung sind Anwendungsfälle im Rahmen von Vertragsänderungen in einem Kundenportal. Auch hier ist es sinnvoll, im Rahmen der BFSG-konformen Gestaltung der Oberflächen eines Kundenportals zu prüfen, inwieweit man Vertragsänderungsprozesse verbessern kann. So lässt sich durch die Vereinheitlichung aller Benutzeroberflächen eine einheitliche Customer Experience herstellen – unabhängig vom jeweilig angebundenen Backendsystem. Gerade hier kann auch in Richtung einer 360°-Kundensicht optimiert werden, um Up- und Cross-Selling-Potenziale für Versicherungen zu heben.

Zusammenfassung

Wenn Versicherungsunternehmen das BFSG umsetzen und gleichzeitig ihre operativen Prozesse optimieren, nutzen sie das volle Potenzial der Umstellung: Zum Beispiel können sie – wie oben beschrieben – durch BFSG-konforme digitale Antragsstrecken ihren Kundenstamm erweitern und dadurch beim Absatz ihrer Produkte von einer größeren Reichweite profitieren. Die Umsetzung des BFSG ist für Versicherungen also auch als Chance darauf zu sehen, einen ganzheitlichen Ansatz zur Optimierung der Customer Journey mit all den darunter liegenden operationalen Prozessen durchzuführen.

Wenn Sie mehr über die effiziente Umsetzung des BFSG in Ihrem Unternehmen erfahren und sich neue Chancen erschließen möchten, setzen Sie sich mit uns in Verbindung.

Über diese Autoren

Sascha Auerbach,

Sascha Auerbach

Director

Sascha Auerbach leitet ein Team von Versicherungsexperten und erweitert kontinuierlich das Service-Portfolio von CGI für Versicherungen. Dabei konzentriert er sich auf die Optimierung digitaler Kundenkontaktpunkte und Prozessautomatisierung in der Branche.

Bianca Heinemann, CGI

Bianca Heinemann

Senior Consultant

Bianca Heinemann leitet die Insurance Practice Germany, die sich mit der fachlichen und methodischen Weiterentwicklung unseres Insurance Portfolios, sowie aktuellen Trends und Regulatorien beschäftigt.